„Der Weg berührt jeden, das Ziel ebenso!“
Auf dem Jakobsweg von St. Jean Pied de Port über Pamplona – Burgos – Leon bis nach Santiago de Compostela
Von Klaus Deux
Im September 2016 durfte ich diese Route gemeinsam mit meiner Frau und einer kleinen Radfahrergruppe fahren. Wir waren auf neuen Wegen unterwegs!
Die Route
Der Weg ist das Ziel
Wir hatten die Möglichkeit, das einzigartige Zusammenspiel von Kultur und Natur dieses klassischen Jakobswegs mit dem Fahrrad zu erleben. Berühmte Sakralbauten, historisch bedeutsame Orte, vielfältige Landschaften und die besondere Jakobsweg-Atmosphäre sind ständige Begleiter auf der gesamten Strecke. Es ist der Weg an sich, der das eigentliche Ziel bedeutet und nicht der örtliche Endpunkt dieser Reise.
Mit sich und seinem Leben auf dem Weg
Auf dem Jakobsweg sind ständig viele Pilger unterwegs. Menschen, die wir unterwegs getroffen haben, pilgern aus religiösen oder spirituellen Gründen, sie sind auf der Suche nach sich selbst. Man trifft aber auch auf so genannte Genusswanderer, Sinnsuchende, Sportler und Abenteurer. Jeder Pilger ist mit sich und seinem Leben auf dem Weg. Dazu gehören Trauer und Freude, Gelingen und Scheitern, Krisen und Aufbrüche, Abschied und Neubeginn, also die vielfältigsten Beweggründe.
Glauben ist auch Aufbruch
Nicht alle beginnen als Pilger, aber viele werden im Laufe des Weges dazu. Pilgern ist im christlichen Verständnis nicht eine nette Methode der meditativen Besinnung, sondern eine Grundhaltung christlichen Glaubens. Glauben hat ja auch in der Heiligen Schrift immer etwas mit Aufbruch zu tun. „Gehet hin im Frieden“, sagen wir beim Segen. Im Christentum geht es dabei somit nie allein um Selbstfindung, sondern immer um die Begegnung mit Gott, aber mit Gott in der Welt. Das war für mich auch das Schönste auf der ganzen Reise, denn Gott war an jedem Punkt und an jedem Ort für mich präsent. Es macht einem klar, dass unser Leben ein Pilgerweg ist.
Konfrontiert mit unterschiedlichsten Wegbeschaffenheiten
Man muss sich aber auch im Klaren darüber sein, dass auf dem Jakobsweg durch das nordspanische Gebirge mehrere teilweise extreme Höhenmeter überwunden werden müssen. Für ein genussvolles Dahinradeln auf ebenem Terrain ist kein Raum, wenn man sich der Unternehmung Jakobsweg stellen will. Der Weg konfrontiert den Radfahrer mit den unterschiedlichsten Wegbeschaffenheiten. Es erwarteten uns breite Forststraßen, schmale Hohlwege, sandige Pisten, lehmige Spuren, Kieswege, lockeres Geröll, aber auch tolle und wenig befahrene Straßen.
Eine Kalebasse? Muss mit!
Perfekt ausgerüstet für´s Vorankommen
Und los geht‘s
Wir reisen von der französischen Atlantikküste über Bayonne und Saint-Jean-Pied-de-Port nach Spanien ein. Der Camino de Frances, mithin die klassische Camino Route, startet für uns im französischen Pyrenäenort St. Jean Pied de Port. Von dort aufwärts bis auf 1424 Meter zum legendären Pyrenäenpass von Ibaneta. In einer herrlichen und teils rasanten Abfahrt über Roncesvalles genießen wir die Bergszenerie und fahren bis in die City von Pamplona, dem ersten bedeutenderen Ort auf spanischer Seite zu unserem Hotel. Wir haben auch genügend Zeit für eine Stadtbesichtigung.
Bullrunning – aber ohne uns!
Bekannt ist Pamplona auch für das „Bullrunning“, dem sie sogar ein imposantes Kunstwerk in der Fußgängerzone gewidmet haben. Sechs Kampfstiere sind es, die sich in Begleitung von Ochsen mit bimmelnden Glocken auf eine 850 Meter lange Strecke durch die Altstadtgassen begeben. Jedermann kann sich dann auf den Sprint mit den Kampfstieren einlassen. Gott sei Dank ist eine derartige Veranstaltung nur im Monat Juli eines jeden Jahres zu sehen. Wir mussten uns dieses Spektakel nicht antun.
Pamplona – Los Arcos
Auf dem Paradestück des Jakobswegs verlassen wir Pamplona auf hügeligen Pisten, hinauf einen etwas beschwerlichen Weg zum Alto de Perdón, dem Berg der Windräder und einer modernen Metallplastik für einen Pilgerzug. Dem Namen nach entschuldigt der „Alto de Perdón“ sich bei uns schon im Voraus für seinen fiesen, echt strapaziösen Aufstieg. Oben vergeben wir ihm, da er uns mit einer großartigen Aussicht und den Skulpturen zu „Don Quichote“ versöhnt. Danach geht es bergab auf einer schön zu befahrenden Straße, vorbei an Korn- und Sonnenblumenfeldern Richtung Santa Maria Eunate (schöne Kirche) und Puente La Reina.
Kostenlos stärkender Wein aus der Klosterkellerei
Norddeutsche Flachlandfahrer…
Die Wegbeschaffenheit dieser Etappe wechselt zwischen gepflasterten Straßen, Feldwegen bis hin zu brutal ausgewaschenen Pfaden mit riesigen Geröllstücken. Gut, dass wir nicht allzu viel vom leckeren Rotwein getrunken haben! Denn als norddeutsche Flachlandfahrer bekommen wir nun von den Schönheiten der Landschaft auf dem folgenden Streckenabschnitt kaum etwas mit. Wir müssen uns auf die Wegbeschaffenheit konzentrieren. Nicht nur bergauf ist es eine echte Herausforderung, auch bergab müssen Steilstücke von über 25 Prozent überwunden werden. Durch die Weinberge La Riojas geht es schließlich weiter, vorbei an idyllischen Ortschaften, bis nach Los Arcos. Jetzt sind wir auch platt wie eine Flunder. Doch wie sagt unser Reiseleiter? „Nach jedem Aufstieg wartet zur Belohnung auch wieder eine schöne Abfahrt“. Na gut. Mit dem Bus fahren wir weiter nach Santo Domingo de la Calzada.
Santo Domingo de la Calzada – Burgos
Was mache ich nur? Urlaub?
Ehemalige Königsstadt Burgos
Die Route läuft an wirklich beeindruckenden Dörfern vorbei, ist abwechslungsreich, aber jeder Pausen-Stopp wird jetzt gern und ausgiebig in Anspruch genommen. In San Juan de Ortega, benannt nach dem gleichnamigen Heiligen, machen wir an der Klosterkirche Halt. Wir fahren sodann mit dem Bus weiter zur ehemaligen Königsstadt Burgos, eine der bedeutendsten Pilgerstationen auf dem Jakobsweg. Neben einer Reihe monumentaler Bauwerke ist insbesondere die riesige, zum Weltkulturerbe erklärte Kathedrale sehenswert.
Burgos – Carrion de los Condes
Am anderen Morgen geht es weiter durch hügelige und weite Landschaften. Bei der Radtour durch die Weiten der kastilischen Hochebene (La Meseta) passieren wir zunächst die eindrucksvolle Ruine des gotischen „Convento de San Antón“. Man traut seinen Augen kaum. Der Jakobsweg verläuft mitten durch die freistehenden Ruinenbögen einer Klosterkirche, einer der kuriosesten Anblicke auf der Pilgerstrecke.
„Kastell Fritz“
Später gelangen wir zum malerischen Dorf Castrojeriz, das von einem alten Castillo überragt wird. Spaßeshalber wird die der Ortschaft alles überragende Burgruine „Kastell Fritz“ genannt. In Castrojeriz lohnt der Blick auf und in die Stiftskirche. Über ausgedehnte Weideflächen geht es weiter bis in das idyllische Dorf Frómista mit dem historischen Canal de Castilla und der frühromanischen Kirche San Martin. Dieses romanische Kleinod zählt zu den schönsten Bauwerken entlang des Jakobsweges. Wie an einer Perlenschnur reihen sich viele stimmungsvolle romanische Kirchen und Klöster entlang des Pilgerweges. Und immer wieder zentnerschwere Storchennester auf den Kirchen.
Pilger nur mit Stempel
Wir treffen immer wieder auf kleine Alleen mit Walnussbäumen. Unterwegs treffen wir ein junges, nettes holländisches Ehepaar. Beide haben ihre Treckingräder vorne und hinten schwer bepackt. Sie sind bereits seit acht Wochen aus Holland kommend unterwegs. Immer wieder sehen wir die Beiden auf unseren Stationen lachend und gut gelaunt – trotz der Strapazen! Schließlich radeln wir noch ein Stück bis nach Carrión de los Condes. Eine unserer ersten Tätigkeiten ist auch hier wieder den Stempel für unseren Pilgerausweis abzuholen. Nur mit Stempel sind wir auch Pilger!
Carrion de los Condes – Leon
Zweifelhafte Wellness
In diesem Ort treffen wir auch auf eine sehr gute Pilgerherberge – die hier überall „Refugios“ und „Albergue“ genannt werden – mit nettem Restaurant und kleinem Schwimmbecken. Einige Pilger halten ihre kaputten Füße in das Becken und tauchen in das mit Bakterien übersäte Wasser ein. Mir stehen die Haare zu Berge! Im Hof haben die Pilger die Möglichkeit, ihre Wäsche zum Trocknen aufzuhängen. Schuhe stehen wie überall in den Herbergen draußen vor der Tür auf einem Balken.
Fabelhafte Kunst und Architektur
Über Sahagún fahren wir bis Bercianos del Real Camino. Weiter bis El Burgo Ranero („Lehmpilgerhaus“) und der anschließenden Weiterfahrt mit dem Begleitbus nach Léon zu unserer Übernachtungsstätte. Noch am frühen Abend werden wir von einem Stadtführer in Leon begrüßt. Der ehemalige Königssitz ist für seine prächtige Kathedrale im gotischen Baustil und die reich ausgemalte Königsgrablege in der Basilika San Isidoro bekannt. Wir besichtigen die Kathedrale, den Gaudi-Palast und die schöne Altstadt.
Leon – Königsetappe – Ponferrada
Wir verlassen die braune Hochebene Kastiliens und fahren ins grüne Hügelland Galiziens. Früh morgens werden wir mit dem Begleitbus von Leon über Hospital de Orbigo nach Astorga gebracht. In Hospital de Orbigo betreten wir die gut erhaltene Römerbrücke über den Orbigo. Sie ist mit ihren 24 Bögen und Kurven extrem lang und ein echter Hingucker. Links daneben ist ein Areal für mittelalterliche Reiterspiele. In Astorga nehmen wir uns die Zeit für einen Blick auf die wuchtige Stadtmauer, die Kathedrale und den Gaudi-Bischofspalast, ein Meisterwerk des berühmten Architekten Antoni Gaudi (1852-1926).
Helden am Berg
Dann geht es auf ruhigen Straßen nach Rabanal del Camino und weiter mit nicht zu unterschätzenden Anstiegen: das 1500 m hoch stehende Cruz de Ferro ist der höchste Punkt des Camino Francés. Es ist schattenlos und bei 45° Grad Hitze fühlen wir uns wie auf einem Pilgergrill. Die Kehren dem Berg hoch waren schon eine Herausforderung. Panoramapause und schnell noch einige „Siegerfotos“ von uns Helden am Berg. Das Cruz de Ferro ist ein schlichtes Eisenkreuz auf einem dürren Baumstamm, umgeben von unzählig vielen Steinen.
Ein Stein von zu Hause
Dieser Ort ist einer der symbolträchtigsten und magischsten Plätze am Camino. Als Pilger sollte man einen Stein von daheim mitbringen und ihn hier am Cruz de Ferro ablegen, damit soll eine schwere seelische Last symbolisch abgelegt werden. Schon seit dem Mittelalter ist dieser Brauch bekannt. Viele Wünsche, viele Sorgen und viel Kummer auf einem kleinen Platz. Auch ich habe einen Stein von daheim mitgebracht.
Zur Belohnung eine rasante Abfahrt
Von hier haben wir aber auch einen herrlichen Ausblick über die galicischen Berge. Als Belohnung für den ungemütlichen Anstieg folgt sodann eine lange und wieder rasante Abfahrt. Es geht durch viele Kurven 960 Höhenmeter abwärts über Manjarin, nach Ponferrada. Wir tauchen ab in unseren Höhenrausch und pedalieren anschließend fast beschwingt über die welligen und kurvenreichen Ebenen. Diese Abfahrt ist für alle Radler immer wieder ein ganz besonderes Erlebnis. Am Nachmittag erreichen wir die Stadt Ponferrada mit ihrer mittelalterlichen Templerburg.
Ponferrada – Sarria/Portomarin
Von Ponferrada führt uns der Jakobsweg dann durch das malerische Weinbaugebiet des Bierzo. Lange Schotterabschnitte und straßenbegleitende Wanderwege wechseln sich nun ab. Ein kurzer Transfer bringt uns das steile Stück den O´Cebreiro-Pass hinauf bis in das berühmte „Museumsdorf“ O´Cebreiro. Besonders interessant im wohl schönsten Dorf auf der gesamten Strecke sind die Pallozas. Die Pallozas sind elliptische Hütten, die vermutlich aus der Keltenzeit stammen. Sie sind strohgedeckt, fenster- und kaminlos (Rauchabzug durch das Strohdach) und boten Raum für Tier und Mensch.
Das Hostienwunder
Wir besuchen die dortige Kirche Iglesia Santa Maria, die älteste Pilgerkirche am Jakobsweg, mit dem Wunder von O´Cebreiro. Berühmt durch ein Hostienwunder, das sich im Jahr 1300 hier zugetragen haben soll: Ein frommer Bauer kommt trotz Schneesturm den Berg hinauf zur heiligen Messe, die ein an Gott zweifelnder Mönch zelebriert. Er macht sich insgeheim lustig über den Bauern, da sonst kein Gottesdienstbesucher gekommen ist und er darum die Messe auch nicht lesen wollte. Während der Eucharistie wandelt sich jedoch tatsächlich Brot und Wein in Fleisch und Blut Christi, worauf der Mönch ein für alle Mal von Zynismus und Spott geheilt ist. Kelch und Hostie sind aus diesem Grund Teil des Wappens von Galizien.
Bald am Ziel
Mit einem herrlichen Ausblick über die galizischen Berge radeln wir anschließend weiter über den Cebreiro-Pass bergab bis in den kleinen Ort Triacastela und weiter die schöne Route nach Monasterio de Samos zum Kloster San Julian, welches auch zu besichtigen ist. Auf ruhigen Nebenstraßen radeln wir durch eine typische galizische Landschaft mit sanften Hügeln, saftigen Wiesen und verschlafenen Dörfern bis in die Pilgerstadt Sarria/Portomarin zur letzten Übernachtung vor unserem großen Ziel.
Kunstvoll gestaltete Getreidespeicher
Unterwegs begegnen wir immer wieder mal die auf Stelzen stehenden typischen Kornspeicher Galiziens. Sie werden Hórreo’s genannt. Es sind kunstvoll gestaltete „Getreidespeicher“, die in vielen Ortschaften in Galizien zu bewundern sind. Sie dienen als Kornspeicher und sind luftdurchlässig, um bei dem feuchten Klima das Getreide vor Schimmel zu schützen. Die Aufstellung auf den Plattformen dient zur Abwehr der Mäuse.
Sarria/Portomarin – Santiago
Die finale Etappe führt uns leicht bergauf und bergab, durch eine kleinteilige Weidelandschaft und duftende Eukalyptushaine dem Ziel aller Pilger entgegen, die hier unterwegs sind. Trotz der Stadtnähe bestimmt Armut das Leben auf dem Land und in den Ortschaften. Bei Melide gehen wir das letzte Stück nach Santiago an. Von der kleinen aber lang gezogenen Erhebung des Monte do Gozo (Berg der Freude) können wir das erste Mal die berühmte Kathedrale von Santiago de Compostela erblicken.
Emotionale Nähe
Er wird als Ort großer emotionaler Ergriffenheit unter den Pilgern beschrieben, denn jetzt sind es nur noch circa zehn Kilomter bis wir unser anspruchsvolles Ziel erreicht haben. Zwei jubelnde Pilgerstatuen blicken mit erhobenen Armen Richtung Santiago. Ein Fotostopp ist hier Pflicht. Auf dem Monte do Gozo erinnert ein Denkmal an den Besuch von Papst Johannes Paul II im Jahr 1982 (Weltjugendtag) und setzt ihn mit der Wallfahrt des heiligen Franziskus in Beziehung.
Santiago – Wir fallen uns in die Arme
Ganz am Ende Santiago de Compostela, das Sehnsuchtsziel: Endlich hat man sie erreicht, die grandiose Pilgerstadt, heute Kulturdenkmal der Menschheit. Es ist eigenartig, denn seit die Grenze Galiziens überschritten ist und das Ende der weiten Reise von Kilometer zu Kilometer näher rückt, klammert die Phantasie sich nur noch an das Ankommen – beinahe achtlos bringt man das letzte Stück hinter sich, so sehr nimmt einen die Spannung auf das lang ersehnte Ziel gefangen.
Kühnste Erwartungen werden übertroffen
Und tatsächlich, die Ankunft ist etwas ganz Besonderes und übertrifft mit seiner unvergleichlichen Atmosphäre unsere kühnsten Erwartungen. Wir fallen uns in die Arme, auch mit Menschen, die wir vorher nicht kannten. Tränen sind hier, egal ob aus Freude oder Erschöpfung, an der Tagesordnung. Man freut sich mit jedem, der ankommt und es geschafft hat, jeder mit seiner ganz eigenen Geschichte. Vor der Kathedrale singen wir gemeinsam: „Großer Gott, wir loben Dich“. Wow! Alle sind ergriffen. Dieser Weg, egal wie man ihn beschritten hat, berührt jeden. Unser Guide Max stellt sich in die lange Warteschlage vor dem Pilgerbüro und holt für uns alle eine Compostela, die Pilgerurkunde, ab.
Tränen bei der heiligen Messe
Gemeinsam mit Einheimischen und den vielen Besuchern feiern wir die Heilige Messe in Santiago de Compostela. Jeden Mittag um 12 Uhr finden sich dort Christen und Pilger aus aller Welt zusammen. Die Pilgermesse war so sehr überfüllt, dass die Pilger auf dem Fußboden und/oder auf ihren Rucksäcken saßen. Was für ein Bild! Viele junge Menschen sind darunter, andächtig versammelt. Dankbar erinnern wir alle uns an das Geschaffte, das Erreichte, an die Ankunft in Compostela: So manche Träne kullert erneut die Wange hinunter.
Ein bemerkenswerter Abschnitt ihres, unseres Lebens steht vor dem Ende. Die Messe wird in Spanisch abgehalten und es werden feierlich im Rahmen der Messe auch die Anzahl der Peregrinos (Pilger), die heute angekommen sind, nach Herkunftsland und Startort sortiert vorgelesen. Eine junge Nonne mit sehr klarer und reiner Stimme hat während der Messe vorgesungen und dabei versucht, alle Pilger zum Mitsingen zu bewegen. Auch wir mühten uns. Ob das allerdings so gut klang – wer weiß?
Die Kathedrale von Santiago de Compostela
Mit dem Kathedralbau wurde bereits 1065/66 über den Resten einer älteren Kirche des 9. Jahrhunderts begonnen. Im Laufe der Zeit sind immer wieder An- und Umbauten vorgenommen worden, sodass prinzipiell alle wichtigen Baustile zu finden sind: Romanik, Altgotik, Gotik, Renaissance, Barock und Klassizismus. Überwältigt vom Anblick der prunkvollen Schönheit des compostelanischen Domes fallen dem Pilger alle Mühe der zurückliegenden Pilgerzeit ab. Allein der Besuch der Kathedrale ist an sich schon Grund genug, die Strapazen des Jakobsweges auf sich zu nehmen.
Portal der Herrlichkeit
Schlichtheit und Monumentalität
Das Innere besticht darüber hinaus durch die romanische Schlichtheit der Rundbögen, den vielen Seitenkapellen mit reich geschmückten Altären und Grabstätten mehrerer Heiliger und Bischöfe. Im Querschiff wird an Festtagen das berühmte monumentale Weihrauchfass, der 50 Kilogramm schwere Botafumeiro geschwenkt. In der 32 Meter hohen Kuppel der dreischiffigen Kirche hängt vom Scheitel der Vierung das Weihrauchfass. Es wird über eine Seilkonstruktion von acht Männern in ausladenden Schwingungen quer durch das Kirchschiff geschwenkt.
„Kesselschwingen“ live
Wir hatten Glück dieses berühmte “Kesselschwingen” live erleben zu dürfen. Da ich schon eineinhalb Stunden vor Beginn der Messe in der Kathedrale war, konnte ich für uns eine erste Bankreihe im Querschiff reservieren. Nun hatte ich auch den besten Platz zum Fotografieren. Früher diente die Durchräucherung des mit Pilgern oft überfüllten und stickigen Raumes der Hygiene. Normalerweise erfolgt dieses nur an hohen Gedenktagen, aber wir hatten Glück, dass wir dieses berühmte “Kesselschwingen” live miterleben durften.
Tapas müssen sein
Am Nachmittag machen wir einen Stadtbummel und wollen auch die typischen spanischen Köstlichkeiten genießen. Was wäre Spanien ohne seine Tapas? Wir besuchen eines der besten Tapas-Bars, die uns ein Stadtführer empfohlen hat. Die kleinen feinen Häppchen, die in Bars und Bodegas als Snack zwischendurch serviert werden, sind aus der Küche des Landes nicht wegzudenken! Die Auswahl ist hier so üppig wie sonst nirgendwo in Santiago. Allerdings scheitert man unweigerlich beim Versuch, alles zu probieren. Wir haben uns Tapas mit Variationen aus Schinken, Hähnchen, Gemüse und Käse gegönnt. Dazu einen herrlichen roten Landwein. Buen provecho!
Für immer unvergessen
Dann heißt es Abschied nehmen von dem wohl ersehntesten Punkt unserer Pilgerreise. Ein bemerkenswerter Abschnitt unseres Lebens steht vor dem Ende. Mit dem Bus geht es zurück in die Heimat. Ausgestattet mit Erlebnissen und Erinnerungen, die für immer unvergessen sind.